Die Schule der Frauen
XX
Ein Mann blickt durch. Monsieur Arnolphe hat für sich den Königsweg entdeckt, um dem Schicksal seiner Geschlechtsgenossen zu entgehen, die allesamt, so sein Vorurteil, von ihren Ehefrauen betrogen werden. Er hat ein verwaistes Mädchen, Agnès, zu seinem Mündel gemacht, lässt es abgeschieden von der Welt, das heißt, von der Gesellschaft, aufwachsen und verweigert ihm jede Ausbildung, um sie zu seiner gefügigen Ehefrau heranzuziehen, die keinen Verführungen Dritter ausgesetzt sein kann – weil sie die gar nicht kennt. Schule der Frauen?
Während seiner Abwesenheit hat Horace sie entdeckt, der Sohn eines Freundes von Arnolphe, und verliebt sich in sie auf den ersten Blick. Sie sich auch in ihn, aber das weiß sie noch nicht, in ihrem gesellschaftlichen Amöbenwesen. Sie ist nur höflich und zuvorkommend zu dem jungen Mann, so wie man es ihr beigebracht hat. Die Triebregungen folgen, wie sie im Buche des Lebens stehen, und drängen zur Entscheidung, mit List. Schule der Frauen!
Den zurückgekehrten Arnolphe bittet Horace um Geld – er braucht es, wie er ihm vertraulich offenbart, um ein junges Mädchen aus den Fängen ihres Cerberus zu befreien. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen Monsieur Arnolphes, der seinen Artgenossen deren selbstverschuldetes Schicksal gönnt - mit der Gewissheit dessen, der seinen Schatz in Sicherheit wähnt. Bis er plötzlich erkennen muss, dass er das Opfer seiner eigenen Borniertheit zu werden droht, die weder die Verführungskraft der Liebe noch die Verführbarkeit von Dienern einkalkuliert. Molières meisterliche Verzwirnung des Wettlaufs der beiden entgegengesetzten Intrigen Arnolphes und Horaces macht Arnolphe ungewollt zum Regisseur, Zuschauer, Gefangenen und Opfer seines eigenen Schicksals - eine Art tragikomischer Ödipus. Die Konflikte eskalieren in gefährlicher Weise, bis es in buchstäblich letzter Minute glückt, die richtige Ehe zustande zu bringen. Die Abschaffung der Eifersucht gelingt nur durch Entsagung.
Ein gefundener Stoff für Herbert Fritsch, den theatralischen Brandbeschleuniger auf deutschen Bühnen. Er verhilft den Geschichten und den Figuren, die er inszeniert, zu hohem Tempo und gesteigerter Energieausbeute: zum Nutzen der Aufführungen und zum Vergnügen der Zuschauer!
Für seine Darstellung des Arnolphe wurde Joachim Meyerhoff 2014 mit dem Rolf Mares Preis ausgezeichnet.